VON PATRICIA BRÖHM
« Bali muss man mit der
Nase erleben » , sagt Gery. Also, tief einatmen: Es duftet nach
frischem Koriander und Ingwerwurzeln, nach Jasminblüten und
Frangipani. Eine Marktfrau lächelt uns an, hier, probiert mal:
vielleicht eine von den riesigen, grünlich- gelben Jackfrüchten oder
eine stachelige Rambutan? Oder eine Salak, eine Schlangenfrucht? Sie
schält die hellbraun geschuppte Schale ab, reicht uns die weissen
Fruchtstücke. Schmeckt fest, saftig, wie eine Birne.
Gekauft.
Der Besuch auf dem Wochenmarkt des kleinen Bergdorfs
Plekin ist Bali unplugged, fern von den Souvenirmärkten der Küste
mit ihren Batik- T- Shirts und dem Touristenkitsch. Wer mit Gery
Nutz unterwegs ist, erlebt die Insel nicht hinter hochgekurbelten
Fensterscheiben im Fonds eines klimatisierten Luxus- Landrovers.
Sondern hängt den Ellbogen aus dem Fenster, lässt sich den Fahrtwind
durch die Haare wehen und wird auch mal ordentlich durch!
geschüttelt, wenn die Strasse ein paar Schlaglöcher
hat.
Gerys Autos sind ebenso originell wie seine Inseltouren
abseits der touristischen Trampelpfade. Es sind VW- Kübelwagen,
Baujahr 1976. Echte Liebhaberstücke, seit 1981 die Produktion des
VWKäfers eingestellt wurde. Auf Bali waren die robusten Jeeps früher
weit verbreitet.
Heute sind sie Kult. Der Österreicher Gery
Nutz, der seit 20 Jahren auf Bali lebt, gründete die Bali- VW- Tours
vor fünf Jahren. Mit seiner Geschäftsidee konnte er seine Liebe zu
alten Altos mit seiner Leidenschaft für Land und Leute auf der
indonesischen Ferieninsel kombinieren.
Früh am Morgen sind
wir mit Gery am weissen Palmenstrand von Jimbaran Bay gestartet.
Über schmale Strässchen, die sich durch Reisterrassen winden, immer
nach Norden, Richtung Berge. Oberhalb des Siedlungsraumes ist fast
ganz Bali Nationalpark. Die Insel ist durchzogen von Vulkanbergen.
Höchster Gipfel ist der Gunung Agung mit 3142 Metern. Unser! e
Tour wird uns bis auf 1400 Meter führen, wo die Luft angeneh! m
frisch ist. Rechts und links der Strasse leuchtet üppiges Grün, ein
einziger Paradiesgarten mit Ananas und Bananen, Kaffee und
Kokospalmen. « Den Affen nie die Zähne zeigen – das verstehen
sie als Drohgebärde » Mit Gery besuchen wir Plätze, die wir
als Bali- Anfänger alleine nie gefunden hätten. Zum Beispiel jene
Lichtung am Rande des Regenwalds, wo wir zu einem Spaziergang durchs
ewige Grün aufbrechen. Der Dschungel hat seinen eigenen Soundtrack.
Trällernde Urwaldvögel, kreischende Affen, zirpende Heuschrecken.
Riesige Ficusbäume mit ausladenden Kronen, üppig wuchernde Farne
säumen den Pfad, einmal ist der Weg versperrt durch einen
umgestürzten Urwaldriesen, von Termiten
zerfressen.
Nachmittags machen wir Halt bei einen Tempel, der
von Muskatnussbäumen umgeben ist. Ein mystischer Wald, mächtige
Baumsäulen, die über 40 Meter hoch in den Himmel ragen,
jahrhundertealt. Über 700 freche Langschwanzmakakken leben hier in
den Baumwipfeln.! Sie turnen auf den Ästen herum. Schon sitzt einer
auf Gerys Schulter. « Den Affen nie die Zähne zeigen » , nuschelt
er, « das verstehen sie als Drohgebärde. » Vor wenigen Wochen,
erzählt Gery, tobte hier tagelang der Affenkrieg. Brutal bissen sich
die Tiere in Gesicht und Schwanz. Der Grund: Grenzverletzungen
zwischen Ost-, Westund Mittelaffen.
Kurz vor Sonnenuntergang
erreichen wir den Tempel Tannah Lot im Westen der Insel. Er liegt an
einem der vielen schwarzen, vulkanischen Strände. Ein berühmter
Hindu- Priester liess ihn im 15. Jahrhundert erbauen. Die
Tempelruinen liegen zum Teil auf Felsen im Wasser.
Plötzlich
durchschneidet ein Zischen die träge Ruhe. Traum oder Wirklichkeit?
Eine schwarz- weiss gestreifte Schlange windet sich keinen Meter von
uns entfernt durch die Luft, aufgehängt am Arm eines
grinsenden Balinesen. Die Schlangen seien extrem giftig, erklärt er,
Ihr Biss tödlich, ein Gegenserum nicht bekannt. Heilige Schlangen,
die den T! empel Tannah Lot bewachen. Sein Angebot, uns das Tierchen
für! ein Foto um den Hals zu hängen, lehnen wir ab. Man soll die
Götter nicht in Versuchung führen. Nach drei harten Jahren kam
für die Tourismusindustrie 2004 die Wende Wer mit Gery das
Hinterland von Bali erkundet, trifft nur wenige Ausländer. Im
touristisch erschlossenen Süden, an Stränden, Bars und in den
Restaurants tummeln sich die Besucher heute wieder wie eh und je.
Drei harte Jahre hat die Insel, die weit gehend vom Tourismus lebt,
hinter sich. Den ersten Einbruch brachte der Anschlag auf das World
Trade Center in New York, kaum waren die Besucherzahlen wieder
gestiegen, explodierte im Oktober 2002 im Strandort Kuta die « Bali
Bomb » . Es folgten Irak- Krieg und die Vogelgrippe. Erst 2004
brachte die Wende. « Im Sommer hatten wir eine sehr gute Auslastung;
Weihnachten und Silvester waren wir ausgebucht » , freut sich
Stephan Killinger, Resort Manager im Four Seasons Hotel Jimbaran
Bay. Wie in anderen Hotels investierte man in neue Security-
Massnahmen! und intensivierte die Zusammenarbeit mit den
Behörden.
Die beliebten Hangouts wie Kuta und Seminyak boomen
wieder, überall öffnen neue Bars und Restaurants. Den besten Beweis
für den neuen Optimismus liefert das amerikanisch- balinesische
Gastronomenpaar Karen Waddell und Gusky Suarsana. Neben der « Bali
Bomb Memorial Site » , wo vor zweieinhalb Jahren der Nachtclub in
die Luft flog, öffneten die beiden das « Fuel » . Ein gestyltes
Restaurant mit Bar, DJ und riesiger Terrasse. « Wir wollen zeigen,
dass sich Bali nicht unterkriegen lässt » , sagt die New Yorkerin
Karen. « Es ist dieses Gefühl: Bitte anschnallen, wir starten wieder
durch. »
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